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Haben wir die Weiblichkeit verlernt?
- Interview aus der Frauenzeitschrift FÜR SIE, Ausgabe 19.2012

Logo Für SieDas fragt Paar- und Sexualtherapeutin Leila Bust aus Düsseldorf. Gerade hat sie ein Buch zum Thema geschrieben: "Weiblichkeit leben - die Hinwendung zum Femininen" (erschienen im Ellert & Richter Verlag). Für uns machte sich die Autorin noch mehr Gedanken über die Frau von heute: Sie gehörten zu uns Frauen wie der Putzlappen zur Spüle – die klassischen drei Ks: Küche, Kinder und Kirche.

Bis Frauenrechtlerinnen vor rund vier Jahrzehnten eine Frage aufwarfen: Versteckt sich das Glück der Frau etwa doch nicht im Hinterhof zwischen im Wind wehender Wäsche und Sandkiste?

Die Erkenntnis wuchs: Wir können mehr als Haushalt! Her mit der Gleichberechtigung! Und so wurden die alten Ks im Laufe der Zeit durch neue ersetzt: Karriere, Kampf und Kompromisslosigkeit.


Leider warfen wir mit der alten Rolle auch unsere Weiblichkeit über Bord. Denn als wir kein Heimchen am Herd mehr sein wollten, blieb als neues Vorbild nur – der Mann. Wie erfolgreich der war! Und mächtig! Also eiferten wir ihm fleißig nach, um endlich ernstgenommen zu werden. Sogar äußerlich: Stundenlang wurden die weichen Kurven, ursprünglich Zeichen von Weiblichkeit und Fruchtbarkeit, im Fitness-Studio attackiert, immer das heiß ersehnte Ziel eines androgynen Körpers vor Augen.

Die Sache hatte nur einen Haken: Frauen sind anders als Männer. Und so wissen heute viele von uns nicht mehr, was Frausein bedeutet, was wir uns wünschen. In im top trainierten Körper fühlen wir uns nicht wohl, schleppen ihn mit uns wie lästiges Handgepäck.

Zum Glück wandelt sich das gerade. Endlich! Politikerinnen wie Helle Thorning-Schmidt, dänische Regierungschefin, marschieren im schwingenden Designerkleid aufs internationale Parkett. Selbst Angela Merkel greift neuerdings zu Pastelltönen. Auch in der TV-Landschaft erstrahlt wieder mehr weiblicher Glamour: Moderierte Barbara Eligmann die RTL-Sendung „Explosiv“ noch knallhart im Sakko, trägt Nachfolgerin Nazan Eckes jedes Mal ein anderes Glitzertop. Auch Katja Hofem-Best, SIXX-Chefin, zeigt gerne Kurven. Gut so! Denn bis vor wenigen Jahren reihten sich diese Erfolgsfrauen in geschlechtsneutralen Hosenanzügen neben ihre männlichen Kollegen.

Und erst die neuen, jungen Feministinnen! Die vorlaute Caitlin Moran, Autorin Barbara Streidl oder die polarisierende Charlotte Roche: Das sind junge Frauen, die nicht mehr nur aggressive Theorien schwingen, sondern mit Mann, Kind und Job mitten im echten Leben stehen. Die emanzipiert sind – und trotzdem Lidstrich tragen, Männer um Hilfe bitten oder fürs Baby ein Jahr zu Hause zu bleiben.

Auch in meinen Seminaren erlebe ich den Umschwung. Mehr Frauen als je zuvor wollen wissen: Was ist Weiblichkeit, und wer bin ich als Frau? Eine gute Frage, denn die typisch weiblichen Eigenschaften haben wir fast vergessen. Kleiner Rückblick: Empfänglich und offen sein – das sind feminine Qualitäten. Sich fallen und auch mal fünfe gerade sein lassen.

Das ist nicht immer leicht, wirkt aber auch beim Thema Partnerschaft wahre Wunder. Was ist so schlimm daran, ihn mal die Wasserkisten schleppen zu lassen? Ihn um Hilfe bitten? Nichts! Das Gegenteil ist schlimm:  Wenn wir Frauen die dominante Rolle des Mannes übernehmen, bestimmen, wie Haus, Alltag und er auszusehen haben, dann wird er zwangsläufig – zur Frau. Sorgt für Entspannung, Humor und Spiel, versucht uns mit Zärtlichkeiten milde zu stimmen. Ein solcher Softie macht auf Dauer wütend. Echte Männer zum Anlehnen, die überraschen, begeistern und Verantwortung übernehmen, fühlen sich aber nur von femininen Frauen angezogen.

Je stärker die Pole, desto mehr Leidenschaft und Spannung – desto besser also auch der Sex. Eine feminine Frau ist in der Lage, sich hin- und die Kontrolle abzugeben – essenziell für Spaß im Bett.

Nun höre ich schon die Proteste: „Aber im Job …!“ Klar brauchen wir männliche Qualitäten, um es überhaupt nach oben zu schaffen: Disziplin, Zielstrebigkeit. Aber auch hier zeigt sich eine Trendwende: Weibliche Eigenschaften werden in der Berufswelt immer wichtiger. Eine aktuelle Studie belegt: Ist die Hälfte des Vorstandes weiblich, macht ein Unternehmen 20 Prozent mehr Umsatz. Wundert mich nicht – wir Frauen haben, was Männern fehlt: Wir sehen den Menschen im Mitarbeiter, sind einfühlsamer, finden kreative Lösungen für Konflikte. Selbst der Dalai Lama* sagt: „Die Zukunft gehört den Frauen. Die Welt braucht die Werte der Frauen, um zu überleben.“

Eine Helle Thorning-Schmidt zeigt, dass man gepunktete Schals und Animal-Prints nicht bis zum nächsten Cocktail-Abend im Schrank verrotten lässt. Sondern gerne auch bei wichtigen Meetings tragen darf. Denn nicht der männlich-coole Hosenanzug untermauert unser Standing, sondern Charakter und Auftreten: Wer mit Selbstbewusstsein klare Anweisungen gibt, wird ernstgenommen – auch in Glitzer-Top und Bleistiftrock.

Text aufgezeichnet von Jessica Kohlmeier
* "Der Weisheit des Herzen folgen", dtv