Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie ein Sonnen, ein Blütenschnein,
kam sie wie ein Beten? – Erzähle!
Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
Und hing mit gefalteten Schwingen groß
An meiner blühenden Seele…
R. M. Rilke, Aus "Traumgekrönt" (1896)
Von Beginn an existieren die Menschen als Frau und Mann, suchen sich, sind aufeinander ausgerichtet. In keiner anderen Beziehung als der Mann-Frau-Beziehung erfahren wir die Liebe so intensiv und allumfassend wie in der Liebesbeziehung. Immer wieder besungen, neu erdichtet, ist die Liebe die Kraft, die uns immer wieder einander suchen lässt.
Mann und Frau sind in der Geschichte der Menschheit einen langen Weg miteinander gegangen, der mehr mit Machtkampf als mit wirklicher Liebe zu tun hatte und haben sich dabei so weit voneinander entfernt wie der Nordpol vom Südpol.
Eine neue Annäherung kann in diesem Jahrhundert stattfinden, wenn Frau und Mann sich im Kreis des eigenen Geschlechts neu gefunden und definiert haben und die kollektive Wunde des eigenen Geschlechts für sich erkannt und geheilt haben.
Die Vision eines neuen Miteinanders ist getragen von der Frau, die in ihrer Weiblichkeit ganz angekommen ist und dem Mann, der seine Männlichkeit in Stolz und Würde lebt, und beide die Scham über die eigene Geschlechtlichkeit und seine Geschichte hinter sich gelassen haben. Indem die alte Beziehungsgeschichte von Entwürdigung und gegenseitiger Verletzung aufgegeben wird, wird Eros befreit und führt die Liebe zwischen Mann und Frau zu ihrer zeitgemäßen Bestimmung: dem Tanz des Maskulinen mit dem Femininen.