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Wie jedes Jahr vor meiner Rückreise besuchte ich wieder Bernardo Rosemeyer in Fortaleza / Brasilien. Ich möchte hier kurz das beeindruckende Lebensprojekt von Bernardo vorstellen. Er kam ursprünglich als junger Mann nach Brasilien, um Theologie zu studieren. Er entschied sich aber sich einer dringlicheren Aufgabe zu widmen: seit 1987 arbeitet er mit Straßenkindern und gründete 1995 ein Dorfprojekt für sie.

Zitat: „Unsere Aufgabe ist es, Jungen bis zum Alter von 12 Jahren von der Straße zu holen. 90 Prozent aller Straßenkinder unter 12 Jahren sind Jungen. Unsere Streetworker helfen ihnen auf den Straßen und machen sie auf ein mögliches Leben in den Nazareno-Dörfern aufmerksam.“

Das Nazareno-Dorf liegt etwa 35 km von Fortaleza entfernt auf dem Land. Über eine Sandstraße gelangt man zu einem abgelegenen und auffallend grünen Grundstück mit einfachen Häusern, Pool in einem parkähnlichen, gepflegten Areal. Bis zum nächsten größeren Ort sind es einige Kilometer und es gibt auch keinen Handyempfang. Das Tor ist offen und unbewacht, was in Brasilien eher unüblich ist – jeder kann frei rein- oder rausgehen.

Foto1Ich parke meinen Geländewagen und gehe zu Fuss zu Bernardos Haus. Es ist eher eine einfache Hütte. Ein herzlicher Empfang von einem Mann, mit dem ich stundenlang reden könnte – vor allem zuhören und Fragen stellen - folgt. Denn dieser Mann hat ein sicheres und wohlhabendes Leben mit einem gefährlichen, unsicheren und schlichten Leben eingetauscht und dies nie bereut. Das Dorfprojekt, in dem maximal 80, zur Zeit etwa 30 Jungen mit ihren Betreuern wohnen ist sein Lebensprojekt. Mit professioneller Führung und (deutscher) Organisation, die einem in Brasilien sofort auffällt, aber auch mit viel Herzlichkeit für jeden einzelnen Jungen leitet er seit 1995 dieses Projekt. Er kennt jeden Jungen und seine Biografie sehr genau, denn – auch wenn er das eigentlich verneint – ist er wie ein Vater für sie und jeder ist irgendwie sein Sohn.

Bernardo ist ein Mann, der sehr wohl die gesellschaftliche Entwicklung im Auge hat und nicht einfach nur helfen, sondern auch positiv mitgestalten will. Deshalb geht er auch in Schulen und wird sogar ins brasilianische Parlament für Vorträge eingeladen. Er erzählt: „Früher war Hunger bei den Strassenkindern ein häufiges Phänomen – man konnte ihnen helfen, indem man ihnen zu essen gab. Das hat sich heute verändert, denn hungern tut fast niemand mehr. Dafür haben die traumatische Erfahrungen von Gewalt in vielfältiger Form enorm zugenommen – die Jungen brauchen immer mehr psychologische Betreuung.“
Die Details dieser Gewalterfahrungen lasse ich hier aus, nur soviel: alles krasse Fälle, wie sie in Deutschland nur extrem selten vorkommen. Er erzählt viel über die Herkunft der Kinder: Drogensüchtige, Dealer und Kleinkriminelle. Rivalisierende und bewaffnete Banden kontrollieren das Drogengeschäft und fast alle Jungen haben Drogenerfahrungen – sei es mit Klebstoff, Crack oder anderes.

Foto2Eine Sirene ertönt – das Signal zum Mittagessen. Denn die einzelnen Häuser sind relativ weit entfernt, damit die Jungen viel laufen müssen. Alle kommen in einem Gemeinschaftshaus zusammen, alle ohne Smartphone in der Hand, was sofort auffällt.
Ich habe leider wieder einmal zu wenig Zeit, aber freue mich Bernardo mitzuteilen, dass wir auch dieses und nächstes Jahr einen Teil unseres Gewinns an sein Projekt spenden. Das ist aktuell besonders wichtig für ihn, da ein großer regelmäßiger Spender wegfällt, wie er mir letztes Jahr erzählte, weshalb er sich aktuell Sorgen um die Finanzierung des Projekts macht. Sein Bruder Werner leitet in Deutschland einen gemeinnützigen Verein, der „Den kleinen Nazareno“ von dort unterstützt. Das Geld kann nicht sinnvoller verwendet werden, da aufgrund ehrenamtlicher Tätigkeit im Verein nur 4% der Einnahmen für Organisation und Verwaltung verwendet werden.

Ich bewundere Bernardos Engagement, seine Herzlichkeit, die Professionalität und nicht zuletzt den Mut, sich für Kinder aus Drogenmafia, Prostitution und anderen kriminellen Kreisen einzusetzen. Die allgegenwärtige Lebensgefahr, die das bedeutet muss wohl nicht erwähnt werden. Vor solchen Menschen ziehe ich meinen Hut und verbeuge mich in tiefer Demut.

Weitere Infos unter www.nazareno.de