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3-Tages-Retreat auf Lanzarote alleine im Vulkantunnel in der Erde im März 98

Erfahrungsbericht von Bjørn

Lanzarote, die Feuerinsel mit vielen erloschenen und aktiven Vulkanen ist ein Ort der Transformation - die plutonische Energie ist dort erlebbar. Gerade im abgelegenen Norden, fernab der Touristenorte findet sich eine Mondlandschaft aus Lava mit dem längsten Lavatunnel der Welt, der mehrere Kilometer unterirdisch vom Krater bis unter den Meeresspiegel führt. Dieser Ort war das Ziel unserer Reise (von Leila und mir) für ein Retreat in absoluter Dunkelheit und Stille, etwa 50 Meter unter der Erde. Dieses alte schamanische Retreat, das bei den Sufis "Initiation in den blauen Tod" genannt wird beruht auf der Wirkung der sensorischen Deprivation, also einem Entzug aller Sinneseindrücke über einen längeren Zeitraum. Es setzt Selbsterfahrung und Meditationspraxis voraus. Die Erfahrungen dieses Retreats, das wir mehrmals wiederholt haben sind die Grundlagen, aus denen wir das LifeCreation Training entwickelt haben.

Die Reise unter die Erde

Als wir uns entschieden, alleine drei Tage und drei Nächte im Vulkantunnel zu verbringen, kannten wir den Ort lediglich für ein paar Stunden zum Meditieren. Wir waren entschlossen dieses uralte schamanische Ritual für uns allein zu erleben. Um unter die Erde zu kommen, klettern wir zunächst ein paar Meter tief in eine der mehreren Einbruchstelle, die wir „Tal des Todes" tauften, da dort lauter Tierknochen herumliegen. Vor uns öffnet sich weit und bedrohlich der Schlund der Erde. Mit jedem Schritt wird mir enger ums Herz. „Was für eine blöde Idee - anstatt Sonne und Meer zu genießen freiwillig in der Dunkelheit zu sitzen." Schon jetzt rebelliert mein Verstand, aber ich kenne diese Widerstände als ein Zeichen bevorstehender Rituale oder wichtiger Schritte in meinem Leben. Schließlich waren wir extra deswegen nach Lanzarote geflogen - sollte ich jetzt etwa aus Feigheit oder Bequemlichkeit abbrechen?

Die Schreie einiger aufflatternder Vögel holen mich aus meinen Gedanken. Wir haben nach dem Abstieg in den Krater den Eingang des Lavatunnels erreicht. Wir holen die großen Taschenlampen heraus und atmen nochmal tief durch. Jeder von uns spricht ein paar Worte der Bitte an Mutter Erde aus, dann betreten wir die weite Höhle. Immer wieder hohe Geröllfelder und die Suche nach dem besten Weg. Die Kletterei lenkt mich von meinen Gedanken und der Beklemmung ab. Der Rucksack drückt: Wasser, Schlafsack, Isomatte, warme Kleidung, und Pinkelbehälter, den wir benötigen, denn hier unten kann nichts verwesen. Wir kommen beide ziemlich ins Schwitzen beim Gehen. Die Temperatur hier unten ist konstant 20 Grad, aber beim Gehen schwitzte ich hier unten sehr - vielleicht die Aufregung?

Als wir nach etwa einer halbstündigen Wanderung den wie ich finde schönsten Teil des Tunnels betreten fühle ich mich einen kurzen Moment wie zu Hause. Hier waren wir bereits einige Male zum Meditieren. Die erstarrte Lava macht mehrere langgezogene Biegungen, der Boden ist gerade und mit weißer Lavaasche bedeckt. Es wird etwas heller, denn sie reflektiert das Licht unserer starken Scheinwerfer mehr als die schwarzen Wände vorher, die es aufzusaugen schienen. Schließlich erreiche ich meinen „auserwählten" Platz. Es gibt nicht viel zu tun: Isomatte und Schlafsack ausrollen, Sitzkissen aufblasen, mein Grablicht und ein Räucherstäbchen anzünden. Leila hat sich einen Platz ca. 500 m weiter weg ausgesucht. Leila setzt sich noch zu mir und wir atmen eine Weile gemeinsam. Ich genieße es, ihre Nähe zu spüren. Dann lade ich die Kräfte der Himmelrichtungen und Schutzgeister für die Zeit hier unten ein. 

Wir singen ein gemeinsames Mantra. Meine Stimme ist belegt, ich fühle mich den Tränen nahe. Es ist Zeit Abschied zu nehmen. Als ich Leila in den Arm nehme, tut es gut zu weinen. Ich spüre deutlich meine Liebe zu ihr, unsere Verbindung. Es ist, als müßte ich für immer Abschied nehmen. Ich weiß, wir treffen uns in 24 Stunden wieder um nacheinander zu schauen, doch eine uralte Einsamkeit ist plötzlich da. Schließlich lösen wir uns und Leila macht sich auf den Weg - wie schnell die Schritte und das Licht ihrer Lampe im Dunkel verschluckt werden.

Zuhause angekommen

Ich setzte mich zurecht und lösche die Kerze. Die Dunkelheit und Stille tut gut. Ich höre meinen Atem und folge ihm. Er tröstet mich irgendwie und gibt mir Halt. Ich muß über mich lachen, als ich bemerke, daß ich die Augen zuhabe. Es macht doch überhaupt keinen Unterschied, also kann ich sie auch auflassen.

Ich genieße die ersten Stunden der Stille mit verschiedenen Meditationen und Körperübungen - ich beschäftige mich. Mein Verstand versucht verzweifelt die Kontrolle zu behalten: dreimal gepinkelt, also wird es wohl Abend sein. Aber so nach und nach fällt alle Aktivität ab - immer längere Momente der Stille und des Friedens kommen.

  Ich öffne die Augen und sehe merkwürdige Gestalten um mich herum. Wo bin ich? Mich friert und mein Körper ist etwas steif. Ich bin völlig verwirrt, bis mir einfällt, daß ich ja in der Höhle bin. Ich muß geschlafen haben, aber was machen diese Gestalten dort? Da kommt mir die Idee, daß ich ja Licht machen kann, hole das Feuerzeug aus meiner Hosentasche und zünde das Grablicht an. Im schwachen Haldunkel schimmert die weite Höhle - wie beruhigend, die Gestalten verschwinden. Ich knabbere an etwas Trockenobst und trinke. Dann lösche ich wieder das Licht. Kurz darauf sind die Bilder wieder da. Aber diesmal weiß ich, daß sie in mir sind. Und sie werden immer deutlicher, ganz gleich, ob ich die Augen öffne oder schließe. Menschen und Szenen aus meinem Leben, so als wären sie wirklich da. Ich höre ihre Stimmen, nehme sogar Gerüche wahr. Ich habe noch niemals so deutliche innere Bilder wahrgenommen. Es ist wie ein inneres 3D-Kino - wie zum Anfassen. Nachdem ich mich daran gewöhnt habe, lehne ich mich innerlich zurück und schaue gebannt zu.

Egal, was ich unternehme - die Bilderflut bleibt. Langsam könnten 24 Stunden vergangen sein und Leila kommen, denke ich. Doch mein Zeitgefühl hat mich ohne jeden Anhaltspunkt verlasen. Als ich schließlich aufhöre zu warten, sehe ich einen schwachen Lichtschein in der Ferne des Tunnels. Wie tröstlich und berührend, als sie auf mich zukommt.

Besuche von oben

Ich fühle mich glücklich und bereichert, nachdem Leila wieder gegangen ist. Ich spüre ihre Liebe: sie weint und es fällt ihr schwer, wieder zurück in das eigene Alleinsein zu gehen. Wie anders es ist, alleine oder mit Leila in der Höhle zu sein! Fühle mich glücklich und berührt über das Geschenk der Liebe zwischen uns, die im Alltag oft selbstverständlich geworden ist. Wir sitzen in Stille zusammen und halten die Hand - wie schön das sein kann, einfach nur die Nähe eines vertrauten Menschen zu spüren! Beim ersten Besuch war die emotionale Bindung, die Liebe besonders stark. Beim zweiten Besuch nach 2 Tagen spürte ich die Verbindung in Stille von Shiva und Shakti, nicht mehr nur die persönliche Begegnung von Leila und Bjørn besonders deutlich.

In diesen 72 Stunden erlebe ich mehr als manchmal in einem ganzen Monat. So viele innere Erlebnisse und Visionen zu meinem Leben werden mir geschenkt, daß ich unendlich dankbar werde über die Fülle in mir. Manchmal meine ich das Meer zu riechen oder den Wind zu hören und sehne mich sehr nach dem „richtigen Leben" oben.  

Herzkontakte täglich in der Meditation

Wenn ich mich einsam fühle kann ich mich über meine Liebe mit den Menschen verbinden. Ich denke oft an die Menschen in meinem persönlichen Leben, die ich liebe, aber auch an die mir beruflich anvertrauten Menschen. Hier unten spüre ich, wie wichtig diese Verbindungen in Liebe mit den Menschen ist. Fühle mich ihnen hier unten in der Einsamkeit ganz nah und verbunden. Wieso ist es hier so viel einfacher, die Liebe und Herzverbindung zu spüren als im Leben?

Außenorientierung löst Ängste aus

Einmal wache ich aus dem Schlaf auf: habe irgendetwas gehört und lausche aufgeschreckt in die Stille. Doch je mehr ich lausche, um so angespannter und ängstlicher werde ich. Bis ich mich schließlich gerade hinsetzte und atme, dann ein Mantra vor mich hin summe. Ich werde zunehmend ruhiger und gelöster und mir wird die Lektion deutlich: die Orientierung in der Außenwelt führt zu Angst und Erschrecken über jedes kleinste selbst erzeugte oder imaginäre Geräusch. Der Schlüsssel ist das Ausrichten auf die eigene Innenwelt, am einfachsten über Atem und ein Mantra. 

Hölle und Himmel

In diesen Tagen spiegelt sich mein Geist und projiziert unaufhörlich in den leeren Raum: Freundliches wie Schreckliches erscheint. Immer wieder bemühe ich mich darum, die Position des Beobachters einzunehmen, wissend, dass ich derjenige bin, der all diese Dinge erzeugt. Die verschiedenen Meditationstechniken sind dabei eine große Hilfe, um immer wieder aus den inneren Filmen auszusteigen. Ab dem zweiten Tag entstehen vermehrt Lücken zwischen den Bildern, Gesprächen und Gefühlen, bis schließlich längere Phasen der inneren Stille und Dunkelheit eintreten. Diese Zeiten im Raum des Gewahrseins, des einfachen Seins in der Leere gehören zu den glücklichsten Momenten meines Lebens, die schwer zu beschreiben sind.

Völlige Auflösung: Samadhi

Jeder, der viel unterwegs ist kennt das: man wacht auf und weiss nicht wo man ist. Es dauert eine ganze Weile, in der der Verstand ängstlich nach Informationen sucht, um die gewohnte Orientierung wieder zu finden. In der Höhle steigerte sich dies noch: ich wache auf und da ist nichts mehr, woran ich mich festhalten könnte. Kein "Ich bin Bjørn" oder überhaupt "Ich bin" mehr. Verzweifelt versucht mein Verstand zu greifen, aber da ist - in verschiedenster Hinsicht - nur Leere. Es dauert eine ganze Weile, bis ich auf die Idee komme mich zu bewegen und meinen Körper zu berühren, bis ich wieder ein Bewusstsein dafür bekomme, dass ich ein Mensch bin. Und allmählich, ganz, ganz langsam realisiere ich wieder, wer und wo ich bin. Niemand hat mich auf diesen Moment vorbereitet und erst viel später realisierte ich dies als ein Satori-Erlebnis, das ich erst lernen musste ohne die Angst des Egos zu geniessen und darin zu verweilen.

Ich bin angekommen, ich bin zuhause,
im Hier, im Jetzt.
Ich bin fest, ich bin frei,
im tiefsten Wesensgrund verweile ich.
Thich Nhat Hanh

Mahamudra ist gleichzeitig die Bezeichnung für „die höchste Einsicht in vollkommener Stille" und für die Herzöffnung. Jetzt wird für mich erlebbar, dass diese beiden Aspekte miteinander verbunden sind. Mir wird deutlich, wie ich mich auch durch meine Arbeit in Liebe mit den Menschen verbinde, wenn ich sie auf ihrem Weg begleite. Der Sinn der Arbeit ist nicht Erfolg, sondern Aufbau von Verbindungen in Liebe. Und es ist wichtig, zu den Menschen, die mir am Herz liegen bewußt täglich in der Meditation Kontakt aufzunehmen.

Erforschung des Bewusstseins

Gerade die letze Zeit nutze ich, um meine Beobachtungen anzustellen, wie sich Bewusstseinszustände auswirken. "Woher kommen die Gedanken?" und "Wohin gehen sie?". "Wer ist es denn, der denkt und gleichzeitig sich selbst beobachtet?" An diesem Ort habe ich einige grundlegende Erkenntnisse dazu, aus denen ich später das LifeCreation Training entwickeln werde.

Abschied

Als Leila schließlich zum letzten Mal kommt, um mit mir wieder aus der Höhle zu gehen, habe ich nicht mehr gewartet. Ich bin still und irgendwie ganz fröhlich. Wie in Zeitlupe packe ich meine wenigen Sachen zusammen - das Wasser ist fast alle, der Pinkelbehälter fast voll. Mit einem kleinen Ritual lasse ich einen Kristall in der Höhle als Geschenk an diesen wunderbaren Ort und bedanke mich. Obwohl ich mich manchmal ungeduldig nach dem Ende der Zeit gesehnt habe, fällt es mir schwer „mein Zuhause" in der Höhle zu verlassen. Ich gehe langsam den Weg zurück. Es scheint mir eine Ewigkeit her zu sein seit ich gekommen bin, dabei waren es nur drei Tage. Aber soviel ist passiert...

Was ist die Realität?

Als der Lichtschein am Ausgang größer und stärker wird und wir schließlich geblendet in der grellen Sonne im „Tal des Todes" stehen ist es ganz merkwürdig für mich. So sehr habe ich mich unten manchmal auf diesen Moment gefreut und jetzt würde ich am liebsten wieder umkehren in die Dunkelheit - so unecht und fast kitschig kommen mir die Eindrücke der Außenwelt vor. Das ist es wohl, was mit „Maya" bezeichnet wird. Was ist die Realität, das wirkliche Leben? Dieses Gefühl hält noch einige Zeit an, bis ich mich wieder an die Helligkeit, die Wärme und Farben Lanzarotes gewöhnt habe.

Wichtige Einsichten kommen nicht nur während des Retreats, sondern auch hinterher. Leila und ich nehmen uns viel Zeit, um zu erzählen, aber hauptsächlich, um miteinander zu sein. Wir sitzen stundenlang einfach nur Hand in Hand da und schauen aufs Meer und ich fühle einen tiefen Frieden und Glück in mir. Ich habe das Gefühl eine wichtige Prüfung bestanden zu haben und eine kostbare Zeit meines Lebens erlebt zu haben.

Samadhi

Ich verweile stundenlang im Zustand des Samadhi, wenn alles eins ist. Mein Atem geht langsam und tief, die Brust ist weit geöffnet und ich erlebe keine Trennung mehr zwischen mir und der Welt. Ein grosser Frieden und ein stilles Glück erfüllen mich. Wenn ich eine Möwe anschaue, die dahinsegelt, dann werde ich selbst zur Möwe. Dann werde ich zum Meer, das gegen die Felsen brandet oder zum Stein.

 

nicht mehr welle, sondern ozean.
nicht mehr teil, sondern ganzes.
nicht mehr ich, sondern all.
nicht mehr zeit, sondern ewigkeit.
hans kruppa

Die Initiation weitergeben

Leila und ich haben lange darüber nachgedacht, ob wir Menschen mit an diesen Ort nehmen sollen. Wir machten bis dahin ein äußerlich ähnliches Retreat mit TeilnehmerInnen des Jahretrainings II - das Mahamudra-Retreat, in dem die Teilnehmer längere Zeit in Dunkelheit und Stille sind. Doch läßt sich dies nicht mit dem Alleinsein und der Stille in der plutonischen Energie im Lavatunnel vergleichen. Dürfen wir andere Menschen an diesen Kraftort führen? Wir gingen mit dieser Frage noch einmal in die Höhle und erhielten eine positive Antwort. Um diesen besonderen Ort vor dem Tourismus zu schützen haben wir uns verpflichtet nur Menschen dorthin mitzunehmen, die diesen Kraftplatz achten und den genauen Ort geheim halten.

Lanzarote erleben

Mit den Teilnehmern des Samadhi-Retreats auf Lanzarote gehen wir in diese Höhlen, um die Energie und Stille dort zu erleben und den inneren Raum des Gewahrseins.