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Zu Beginn eine Geschichte:

"Ich hab von einer alten Frau gehört, die in einem Bus fuhr. Sie war sehr ängstlich und machte sich große Sorgen, ihre Station, an der sie aussteigen wollte, zu verpassen. Jemand, der neben ihr saß, sagte: Machen sie sich keine Sorgen. Der Schaffner ruft jede Station aus. Sie können ihre nicht verpassen. Er rief den Schaffner, und die Frau bat den Schaffner persönlich noch mal auch wirklich ihre Haltestation auszurufen. "Machen sie sich keine Sorgen. Ich rufe jede Haltestation aus. Aber jetzt werde ich´s mir merken und ich werde extra zu ihnen kommen und ihnen Bescheid geben, wenn wir an ihrer Haltestelle angekommen sind. Machen sie sich also bitte keine Sorgen. Wo wollen sie denn hin?" Die Frau, schweißgebadet und voller Sorge, sagte: Meine Haltestelle heißt „Endstation".

Dieser kleinen Geschichte einer besorgten alten Dame möchte ich ein Zitat von Thich Nhat Hanh gegenüberstellen stellen:
"Wir haben alles, was nötig ist, um den gegenwärtigen Augenblick zum glücklichsten Moment unseres Lebens zu machen. Das einzige, was dazu nötig ist, ist, dass du vollkommen präsent bist, dass du ganz im gegenwärtigen Augenblick verweilst."

Kinder leben noch ganz im Augenblick

Kleine Kinder haben noch diese Fähigkeit. Sie kennen weder Vergangenheit noch Zukunft, sie leben ganz im Augenblick. Sie erleben die Welt fühlend; über die unmittelbare Sinneswahrnehmung. Das ist vermutlich auch der Grund warum wir uns gern in der Gegenwart von Kleinkindern aufhalten. Wir haben Anteil an ihrer für uns so erfrischenden Lebendigkeit. Für Augenblicke können auch wir über die Kinder ganz im Moment eintauchen; wir vergessen unsere Sorgen und erleben Leichtigkeit und Freude. Erst mit der Bildung der Sprache entwickeln Menschen ihr Erinnerungsvermögen, bekommen ein lineares Zeitverständnis von Vergangenheit und Zukunft und lernen einzuordnen, zu vergleichen, auszuwerten und Vorstellungen zu entwickeln.

Wenn wir uns als Erwachsene mit Kindern vergleichen, können wir feststellen, dass wir die Welt normalerweise nicht mehr unmittelbar fühlend erleben. Nur noch in ganz besonderen Situationen vielleicht, wenn wir neue Landschaften oder Kulturen betreten, bei besonderen Naturerlebnissen oder hoffentlich noch beim Sex. Als Erwachsene können wir uns beobachten, wie wir ohne Unterlass mit unseren Gedanken beschäftigt sind. Wir denken permanent. Wenn wir weiter unsere Gedanken beobachten stellen wir fest, dass diese sich immer mit der Vergangenheit oder Zukunft beschäftigen. D.h. dass wir die Gegenwart nicht so sehr unmittelbar fühlend als vielmehr denkend erleben: wir vergleichen, analysieren, bewerten, erinnern, projizieren in die Zukunft. Das alles geschieht in sekundenschnelle und für die meisten unbewusst.

Indem wir uns erinnern und vergleichen docken wir an die Vergangenheit an und damit auch an unseren emotionalen Schmerzkörper und aktivieren gern alte Wunden. Oder wir machen uns Sorgen um unsere Zukunft und haben Angst, dass wir das, was wir haben verlieren (den Job, den Lebensstandard, den Ehemann, die Geliebte etc.)

Die Gedanken sind immer zeitlich begrenzt

Die Gedanken sind der Zeit unterworfen und beschäftigen sich immer mit der Vergangenheit oder Zukunft. Die Gegenwärtigkeit, die Präsenz wird fühlend, wahrnehmend, über die Sinne erlebt - nicht über die Gedanken. Wenn wir uns Sorgen machen wie die Frau in der Geschichte, sind wir ängstlich und angespannt und erzeugen somit gegenwärtig Schmerz. Der Schmerz besteht darin, dass wir die gegenwärtige Situation nicht akzeptieren - und annehmen, sondern Widerstand entgegenbringen, indem wir an die Zukunft denken (Was wäre wenn ich das verpasse, mir mißlingt...).

Die andere Art, Schmerz zu erzeugen ist, indem wir uns an die Vergangenheit erinnern. Die Vergangenheit mit seinen Verletzungen in Form von Enttäuschungen, Verlusten, Trennungen ist in unserem Körper und in unserem Verstand (Erinnerungsvermögen) eingespeichert. Dieser Schmerzkörper ist wie ein Energiefeld und existiert auf zwei Arten in uns: schlummernd oder aktiv. Ein Schmerzkörper kann überwiegend ruhig sein; bei einem unglücklichen Menschen ist er bis auf wenige Momente überwiegend aktiv. Einige Menschen leben sehr in ihrem Schmerzkörper; andere aktivieren ihn nur in bestimmten Situationen: in nahen, intimen Beziehungen, in Situationen der Enttäuschung, des Verlusts oder der Trennung. Er braucht aber Nahrung, um aktiv zu werden. Und wir geben ihm diese „Nahrung", indem wir uns mit ihm identifizieren und mit den entsprechenden Gedanken immer wieder bestärken.

Die Vergangenheit loslassen

Die Vergangenheit loszulassen, bedeutet, in den Momenten, in denen der Schmerzkörper Nahrung bekommt (z.B. wenn wir zurückgewiesen oder enttäuscht werden, wenn jemand wütend auf uns ist, uns stehen lässt oder verletzt, Verabredungen absagt oder nicht erscheint...) nicht in Gedanken zu gehen sondern wach zu sein, gegenwärtig, die Verletzung zu fühlen, sich aber nicht damit zu identifizieren. In dem Moment, wo die Verletzungen da sind, werden die damit verbundenen Gefühle gefühlt. Manchmal kann man sie auch gegenüber dem Menschen, der sie verursacht hat, ausdrücken. Manchmal ist das aber gar nicht möglich, weil der Mensch nicht da ist oder es nicht versteht. Dann versetzen wir uns in die Vergangenheit, was meistens automatisch geschieht. Dann werden alte Glaubenssätze aktiviert und mit ihnen der Schmerzkörper der Vergangenheit (die alte Wut oder Depression): „Ich wusste, dass ich mich nicht auf ihn/sie verlassen kann...immer passiert mir das....mich mag niemand...ich bin zu unattraktiv...) Der alte Schmerzkörper hält uns als Opfer gefangen: er hält uns klein, schwach und unattraktiv. Die Vergangenheit hinter sich zu lassen oder sich von ihr zu befreien, bedeutet in so einem Moment, diese Art der Gedanken und damit die Reaktivierung des alten Schmerzkörpers nicht zuzulassen. Nicht zu vergleichen, nicht zu bewerten oder zu analysieren.

Fühlen, was ist

Eine andere heilende Art mit verletzenden Erlebnissen umzugehen, ist die, Gefühle einfach „nur" zu fühlen, sie da sein zu lassen und wahrzunehmen als das was sie sind: einfach nur Gefühle - nicht mehr und nicht weniger. Wer Meditationspraxis hat kann in solchen Momenten auf den tiefen Atem zurückgreifen und den inneren Beobachter aktivieren, der die Gefühle wahrnimmt, ohne sie zu bewerten oder sich damit zu identifizieren. Der typische Satz des Inneren Beobachters beginnt mit „Aha, jetzt fühle ich das. Aha, so fühlt sich das an..." Die Gefühle akzeptieren, sie nicht wegdrängen sondern in Kontakt gehen damit, sie bewusst fühlen und liebevoll bejahen, ist der Schlüssel, um sie aufzulösen und uns augenblicklich aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Dafür braucht es dann manchmal auch therapeutische Begleitung. So ist es möglich gegenwärtig zu bleiben, präsent und der Schmerzkörper der Vergangenheit hat keine Chance, aktiv zu werden.

Die meisten Menschen denken, dass sie nur glücklich sein können, wenn es keine „leidvollen" Erfahrungen und Gefühle in ihrem Leben gibt. Und sie trachten dann danach, diese Erlebnisse und Gefühle zu vermeiden. Dadurch wird das Leben dann sicher aber auch flach und langweilig. Niemand hat uns versprochen, dass dieses Leben ohne leidvolle Erfahrungen möglich ist. Die Frage ist, wie gehe ich damit um. Sich vom Schmerzkörper der Vergangenheit zu befreien in dieser vorgestellten Form ist ganz sicherlich eine Möglichkeit.

So haben wir die Wahl Glück zu erleben, auch wenn das Leben nicht immer nach unseren Vorstellungen, wie es zu sein hätte, funktioniert. Wir können glücklich sein, wenn wir uns nicht mit der Vergangenheit identifizieren, sondern gegenwärtig bleiben. Und wir verhindern unser Glücklichsein, indem wir uns wie in der Geschichte Sorgen um die Zukunft machen und uns mit unserem emotionalen Schmerzkörper der Vergangenheit beschäftigen. Die meisten Menschen verpassen so den gegenwärtigen Augenblick und können diesen nicht genießen.

Intention:

Anhaltend Glück erfahren im gegenwärtigen Augenblick.

Übung:

Wann immer du bemerkst, dass du mit deinen Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft bist, hole dich zurück, in die Gegenwart. Nimm einen tiefen Atemzug und öffne dich für das gegenwärtige Erleben.

Mantra:

Ich lasse die Vergangenheit los und öffne mich für das gegenwärtige Erleben.