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Zu Fühlen ist das Natürlichste auf der Welt und wir haben das alle mehr oder weniger verloren. Es ist das Natürlichste auf der Welt, denn jedes Baby kommt mit der Natürlichkeit des Fühlens auf die Welt. Das Baby, das Kleinkind besteht nur aus Fühlen. Es ist auf der Welt, es erlebt und erfährt die Welt fühlend. Mit der Zeit, wenn das Kleinkind seine Sprache entwickelt, beginnt es Begrifflichkeiten zu entwickeln. Sprache ist das Erfassen von Wirklichkeit durch Begriffe. Alles erhält einen Namen, alles erhält einen Begriff mit der Sprache. Und wir erkennen die Wirklichkeit nicht mehr durch unser Fühlen und Begreifen sondern durch Begriffe, Wörter, Namen. Sonne - oh hell schön; Frau - ah ja interessant; Mann - oh ja sieht gut aus. Es ist wie ein kleiner Übersetzungsapparat im Kopf, der so automatisch funktioniert, wie die Zündung im Motor. Es funktioniert voll automatisch, ohne dass wir es merken. Es kommt eine Übersetzung rein. Ich fühle etwas. Doch bevor ich anfange wirklich zu empfinden, habe ich eine Übersetzung und ein Wort. Es hat mit unserer Orientierung in der Außenwelt zu tun. Der Begriff ersetzt immer mehr das eigentliche Fühlen, Wahrnehmen. Der Begriff wird wertvoller als das unmittelbare Erleben. Denn der Begriff gibt uns Sicherheit. Wir können etwas einordnen - und fühlen uns sicher.

Wie das funktioniert, konnte ich einmal ganz deutlich auf Bali erleben. Ich lag nachts im Bett und wurde von einem aufdringlichen Lärm geweckt. Es war ein undefinierbares Geräusch, Laute, die ich nicht kannte. Ich beobachtete wie mein Geist auf die Suche ging, um diese Laute zu identifizieren und ihnen einen Namen geben zu können. Schließlich dachte ich „Kröte", es muss eine Kröte sein. Also schwang ich mich aus dem Bett, um die Kröte zu suchen und aus dem Zimmer zu jagen. Es war keine Kröte zu finden. Ich beobachtete, wie ich immer beunruhigter wurde, da ich den Lauten keinen Begriff zuordnen konnte und wie mein Geist weiter auf die Suche ging. Am nächsten morgen erzählte ich davon den Einheimischen. Sie lachten und meinten, dass sei sicherlich ein Gekko gewesen, der unter dem Dach saß. Ich hörte die nächsten Nächte diese Geräusche noch sehr oft. Aber es war anders. Jetzt wusste ich ja, es ist ein Gekko und Gekkos bringen Glück und fressen die Insekten. Und ich begrüßte innerlich den Gekko und konnte sehr gut mit seinen Lauten einschlafen. Was ich hier erlebt hatte, war nicht der Laut eines Gekkos, sondern einmal meine Unsicherheit, weil ich etwas Unbekanntes nicht einordnen konnte und einmal meine positive Bewertung von Gekkos. Was ich da ganz explizit erlebt habe, geschieht auf einer unbewussten Ebene ständig.

Wir erleben die Welt nicht so wie sie ist, sondern wir erleben unsere Vorstellungen von etwas, unsere Meinungen und Bewertungen darüber! D.h. wir sind nur noch am übersetzen. Der Übersetzungscomputer läuft auf Hochtouren und das Gefühl wird nur noch abstrahiert und verhindert einen Kontakt, schafft eine Trennung mit allem.

Menschen nehmen zu einem Prozent die Welt über die reine Erfahrung, das Fühlen wahr und zu 99% die eigenen Begriffe und Bewertungen. Deswegen haben Menschen heute den Eindruck, nicht mehr fühlen zu können. Sie leiden unter dem Eindruck, nicht mehr unmittelbar am Leben teilzunehmen. Sie fühlen sich getrennt von sich selbst, den Menschen und dem Leben. Die Ursache liegt darin, dass die Welt nur noch gedacht wird. Fühlen meint an dieser Stelle nicht, ganz besondere Gefühle zu haben. Fühlen meint an dieser Stelle die unmittelbare Wahrnehmung, das pure Erleben, die reine Erfahrung, frei von den eigenen Vorstellungen, Bewertungen und Meinung.

Fühlen, die reine Wahrnehmung dessen was ist, bedeutet Präsenz und schafft Verbindung. Die Art und Weise wie wir normaler Weise Kontakt mit Menschen, der Welt herstellen, ist Reden. Kommunikation bedeutet meistens Austausch, Vergleich oder Auseinandersetzung mit Begriffen, Vorstellungen, Meinungen. Die Art wie wir Kontakt machen ist Kommunikation. Kommunikation schafft aber nicht unbedingt Verbindung. Setze zwei Menschen zusammen und lasse sie diskutieren. Sie können den ganzen Tag diskutieren und es schaffen, keine Verbindung aufzunehmen (im Gegenteil), weil sie über ihre Überzeugungen diskutieren. Setze zwei Menschen eine Stunde zusammen und lass sie nicht reden. Was passiert? Im ersten Fall passiert Kommunikation - von Kopf zu Kopf - die Menschen tauschen sich über Begriffe und Vorstellungen aus. Im zweiten Fall passiert so etwas wie Kommunion - von Herz zu Herz. Lass zwei Menschen in Kontakt sein, ohne zu sprechen. Es entsteht eine Verbindung, Nähe, eine gemeinsame Schwingung.

Kinder erleben die Welt direkt fühlend. Das ist die größte Sehnsucht der Erwachsenen. Die Sonne muss nicht noch heller scheinen und die Temperatur muss nicht noch wärmer sein und der Partner muss nicht noch liebevoller sein und das Auto nicht noch schneller. Egal was ist, das Kind fühlt und bringt uns in Kontakt mit diesem unmittelbaren Fühlen, was eine große Sehnsucht ist.

Die Welt unmittelbar fühlend wahrzunehmen ist unser natürlicher Zustand.
Wenn das passiert, dass wir einfach fühlen, ist das unbeschreiblich. Es entsteht so ein Eindruck, als wenn die Welt neu geboren wird. Björn und ich haben das erlebt, als wir nach 52 Stunden aus der Höhle kamen, aus der Dunkelheit unserer Retreats, wo wir zurückgezogen in absoluter Dunkelheit und Stille, ohne Sinneseindrücke waren. Es dauerte einige Tage unter der Erde, bis wir frei wurden von Bildern und Begriffen und Vorstellungen. Als wir dann wieder in die Welt kamen, waren wir Wahrnehmung pur. Wir haben alles wahrgenommen, als würden wir es zum erstenmal erleben und tauchten ganz darin ein: den Wind auf der Haut, den trockenen Geruch von Hitze und Erde, den Geschmack des Salzes vom Meer und der Weite des Horizontes. Wir haben den ganzen Tag nur am Meer gesessen und sind eingetaucht in die Erfahrung der Sinneseindrücke.

Ein interessantes Phänomen ist das Begriffe bilden und der Atem. Unsere Beobachtung ist, dass Menschen, die wenig fühlen und viel Denken einen hohen und flachen Atem haben. Menschen, die viel denken, die starken Widerstand gegen das Erleben und Fühlen haben, atmen in den Brust- oder sogar nur Schulterbereich. Grundsätzlich ist Denken ein Widerstand gegen das Erleben des Lebens, eine sehr effektive Methode. Es ist fast so, als ob Sauerstoffmangel das Denken fördert.

Menschen, die im direkten Erleben der Welt sind, die atmen tief in den Bauch. Kinder tun das. Und Menschen, die noch gut in Kontakt mit ihren Gefühlen sind. Ich habe das bei sehr einfachen Menschen in Brasilien z.B. gesehen, die sehr tief in den Bauch atmen. Für uns gibt es da einen direkten Zusammenhang zwischen der tiefen Bauchatmung und dem direkten Erleben der Welt sowie zwischen dem Denken als Widerstand gegen das Erleben einhergehend mit Sauerstoffmangel. Es gibt nach unserem Wissen noch keine wissenschaftliche Untersuchung dazu. Aber unsere Erfahrung ist: tiefes Atmen fördert den Kontakt zu sich selbst und dem Fühlen; flaches Atmen fördert das Denken.

Intention:
Den Widerstand gegen das Fühlen aufgeben und wieder mehr Kontakt zum unmittelbaren Wahrnehmen bekommen.

Übung:
Entscheide dich heute, den Fokus auf das Fühlen zu richten. So oft du daran denkst, werde dir deiner emotionalen Verfassung bewusst. Halte immer mal wieder einen Moment inne. Atme tief in den Bauch und spüre in den Körper.

Frage dich: wie fühle ich mich jetzt? Wo im Körper erlebe ich das Gefühl?

Wenn du sehr mit den Aktivitäten deines Geistes beschäftigt bist, dann wirst du dir dieser Gedanken gewahr. Wenn du dich selbst dabei beobachtest, wie du innere Dialoge mit Menschen führst, wie du Ereignisse oder andere Menschen analysierst, wenn du mit Menschen diskutierst, halte einen Moment inne und frage dich selbst:
Was vermeide ich in diesem Moment zu fühlen?
Mit welchen Gefühlen komme ich in Kontakt, wenn ich die Aktivität meiner Gedanken einstelle?
Halte inne. Atme tief und langsam in den Bauch. Und erlaube dir zu fühlen.

Hilfsmittel:
Schreibe dir als Hilfe das Wort „Fühlen" auf einen Zettel, den du an eine markante Stelle hängst.

Mantra:
Ich fühle.